Samstag, 19. September 2009

Paradies für Krümelmonster

Hatte ja keine Ahnung, dass Russisch lernen so viel Freude machen kann. Herr Langenscheidt und Herr Pons geben sich aber auch viel Mühe, mich in den schweren Stunden sprachlichen Mühsals zu erheitern.
Da wäre zunächst mal Langenscheidts Grundwortschatz Russisch. Lernt man alle Vokabeln und Sätze, so verspricht das Vorwort, ist man fit für die Alltagsunterhaltung. Weiter als bis Seite zwei bin ich noch nie gekommen. Es verwirrt mich einfach zu sehr, dass Sätze wie "Der Kranke hat viel Blut verloren", "Während der Gesprächs ballte er die Fäuste" oder "An der Lippe hatte sie eine kleine Wunde" zum Grundwortschatz gehören. Worauf in aller Welt will mich dieses Buch vorbereiten? Offensichtlich auf einen Besuch im Krankenhaus oder für den Erstkontakt mit der russischen Mafia.

Ganz vorne dabei ist auch das Russisch-Lernbuch von Pons, das man auch ruhigen Gewissens für den deutschen Kleinkunstpreis einreichen könnte. Titel: "Powerkurs für Anfänger. Lernen Sie Russisch in vier Wochen. Mit Geld-Zurück-Garantie." Ich habe das Buch schon seit drei Monaten und warte immer noch auf den garantierten Erfolg. Ich habe mich an die Gebrauchsanweisung gehalten und regelmäßig hineingesehen, ich habe auf dem Buch geschlafen (oder das Buch auf mir, je nach Körperhaltung beim Einschlafen), und ich habe es mit Melonensaft misshandelt - Nichts! Ich kann definitiv kein Russisch sprechen. Habe ich erst gestern wieder gemerkt, als ich einen Regenschirm wollte, aber einen "Arsch" verlangte. Der einzige Grund, weshalb ich mit meiner Geld-zurück-Forderung immer noch warte, steht auf Seite 24 - Kapitel Grundnahrungsmittel. Nur vor meiner Zeit in Russland habe ich mich gewundert, warum da neben Brot, Butter und Milch auch Kekse aufgeführt sind. Jetzt bin ich in Moskau und weiß es besser. Ganze Supermarktregale, ganze Läden voller Kekse, an jeder Straßenecke. Weiße, braune, schwarze, gefüllt mit Karamell, Quark, Marmelade oder irgendetwas, dass wie Teer aussieht. Es soll schon deutsche Keksfans gegeben haben, die ob der Auswahl in den russischen Regalen nervöse Anfälle bekommen haben - Einfach zuviel Input. Und nur aus diesem Grund, ist Pons Witzebuch nicht schon längst auf den Weg zurück in den Verlag. Weil dort die überlebenswichtigen Sätze stehen, die ich mir einfach nicht merken kann. "Ich hätte gern die Kekse dort." Welche denn?" "Die mit Schokolade."

Kekse1 Meine liebste Keks-Verkäuferin. Nur fünf Minuten Mittagspausen-Weg bis zum Keksparadies.

PS: Mal wieder was Meteorologisches! Gerüchteweise soll es gestern Nacht rund um Moskau den ersten Bodenfrost gegeben haben. Ich wollte es ja erst nicht glauben - bis ich heute morgen mit angefrorenem rechten großen Zeh aufgewacht bin. Da habe ich mich mal spaßeshalber für die Heizung in meinem Zimmer interessiert - und erfahren, dass ich mich ganz in die vertrauensvollen Hände der russischen Führung begeben darf. Erst, wenn im Kreml jemandem unter der Pelzmütze zu kalt wird und ein anderer jemand in einem Heizwerk einen Hebel umlegt, springen im ganzen Bezirk die Heizungen an. Dann läuft die Heizung aber auch, und läuft und läuft ... gibt ja Fenster, die man öffnen kann, um vor dem Erstickungstod zu fliehen. Bis es soweit ist, hole ich schon mal die Handschuhe raus. Die Heizungen werden für gewöhnlich etwa Mitte Oktober angeschaltet.

Samstag, 12. September 2009

Herr Maybach in Moskau

Luxus in Deutschlands Farben

Diplo-Car-Day an der deutschen Botschaft
in Moskau. Genau das richtige für jemanden, der auf die Frage "Was hast du denn für ein Auto?" stets immer nur eine Antwort parat hat: "Na, ein grünes!" Diplo-Car-Day bedeutet aber nichts weiter, als das Moskauer Botschaftsangehörige aller Herren Länder zum deutschen 80-Jahre-Bungalow pilgern, um sich ihre künftigen Dienstwagen von Mercedes, BMW, Volkswagen oder Audi auszusuchen. Früh übt sich, wer ein Diplomat werden möchte. Angeregt wird die Kauflaune durch Liveband (Oasis mit Russenrock), frisch gebackenen Waffeln, Sauerkraut und Bratkartoffeln. Die Besucher des Diplo-Car-Days teilen sich in zwei Gruppen. Erstere, wozu ich und noch zwei bis vier Menschen gehören, lassen sich im Audi-Cabrio fotografieren, machen alberne Faxen vor dem Maybach und interessieren sich zuallererst für die Waffeln. Die zweite Gruppe bekommt bei all dem Chrom schweißnasse Hände und ein Zucken im Gasfuß. Deshalb unternehmen sie gleich mal eine Testfahrt - hoch zu den Sperlingsbergen, wo die Lomonossow-Universität steht und wieder zurück. An den Ständen der Autohersteller kann man die Preisliste erfragen. Botschaftsangehörige kriegen den Luxus auf Rädern für etliche Prozent billiger. So ein Mercedes mit Diplomatenkennzeichen ist schließlich beste Werbung. Der Maybach war für schlappe 680.000 Euro zu haben. Mir persönlich waren der Kühlschrank und die Fernsehbildschirme auf der Rückbank zu klein. Und es gab nur einen Halter für das Champagnerglas. Überzeugend war das nicht.

PS I: Zu den Waffeln

Frische Waffeln gab es nur in der "Kids Area". Was das heißt, erfährt man erst, wenn man nach langem Schlagestehen im betörenden Waffelduft endlich an der Reihe ist: "Waffeln nur für Kinder!" Betteln hilft nichts - Wer sich im Alltag mit Wladimir Putin rumschlägt, lässt sich von Magenknurren nicht erweichen. Die Lösung: Die herumschwirrenden Diplomatenkinder können ihre gute Tat des Jahres vollbringen. Den ganzen Tag haben sie Nintendo gespielt und im kleinen elektrischen Mercedes ihrem Papa nachgeeifert. Die Fünf Minuten-Adoption klappt - die Waffeln sind so gut wie sie riechen.

PS II: Zum Wetter

Sonnenschein wie am Diplo-Car-Day kann ich nicht mehr ohne Argwohn genießen. Vor genau einer Woche zum Stadtgeburtstag war schon einmal Bombenwetter. Die Folge: Die Straßen quollen über vor feiernden Moskauern. Die Mädchen führten Highheels und Miniröcke aus, die Männer stolperten hinterher. Einen Tag später las ich, dass Präsident Medwedew persönlich gottesgleich für Sonnenschein gesorgt hatte. EIn paar Chemie-Raketen hatten die drohenden Regenwolken vertrieben. Das war so erfolgreich, dass der Präsi nun sogar darüber nachdenkt, den Schnee aus der Stadt zu verbannen. Im Winter will er Schechtwetterfronten über der Hauptstadt zum Abbiegen zwingen. Was weiß ich denn nun, wie groß der Einfluss des deutschen Botschafters ist. Schließlich soll kein Regentropfen die Chromkarosserien am Diplo-Car-Day beflecken. Ein besorgter Blick zum Himmel ist da angebracht. Keine Raketen zu sehen. Zum Glück!

Sonntag, 6. September 2009

Moskauer Impressionen

Eine Woche Moskau: Viel gesehen, viel gelaufen, oft verirrt, oft gestaunt. Hier sind die ersten Fotos aus Russlands-Hauptstadt.

Erfrischung im Moskauer Spätsommer.HochzeitsschösserSchmucke GräberSchöner Brunnen, schöne FrauenAltar im Frauenkloster

Samstag, 5. September 2009

In der Folterkammer

Eigentlich hätte ich alles ahnen müssen, als meine Mitbewohnerin Susanne mich fragte, ob ich denn wenigstens in Deutschland schon Mal zum Aerobic-Kurs gegangen sei - und auf mein "Nein" mit einem Lächeln reagierte, dass irgendwie teuflich aussah. Aber wer kann denn wissen, dass der Moskauer Fitnessclub "Stimul" so etwas wie die russische Antwort auf Guantanamo ist. Das "Stimul", idyllisch eingebettet zwischen Hochhäusern im Südosten Moskaus, liegt genau vor unserer Haustür. Mit den Eisenstangen vor den Fenstern sieht es aus wie ein Verwaltungsgebäude auf Alcatraz. Und von innen ... Ähmm ... eigentlich auch wie Alcatraz. Schummriges Licht, der Schweiß vergangener Generationen in der Luft und speckige Matten auf dem Boden.

Herrin im Club ist Madina - Körper à la Angelina Jolie, Gesicht à la Terminator. Welch Glück, dass Madina schon nach wenigen Minuten checkt, dass ich a) Anfängerin bin und b) nix verstehe. So komme ich gleich in den Genuss einer Extra-Behandlung und Madina kann ihre Fitness-Englisch-Vokabeln üben: "Higher!" "Faster!" "Don`t stop!" "Wunderful!" Ich wundere mich unterdessen, dass es im Hals auch Muskeln gibt, dass diese bei Überanstrengung einfach den Dienst versagen und man Kopf auf dem Rücken liegend nicht mehr einen Zentimeter nach oben bewegen kann. Herzzerreißender, aber auch trauriger Höhepunkt des Ganzen: Eine Mittfünfzigerin von der Matte nebenan bietet mir eine ihrer leichteren Hanteln an, die wir bei den Übungen hochhieven.

Vielleicht hätte ich annehmen sollen. Nach der "Aerobicstunde" überlege ich kurz, ob ich per Eilverfahren Pflegestufe drei beantragen kann. Fürs Ausziehen, Duschen und Anziehen könnte ich gut eine helfende Hand gebrauchen, meine Arme jedenfalls verweigern jede Bewegung. Eine kleine Rache an Madina gab es dann doch noch. "Zwei Stunden nichts essen und nur noch Wasser heute Abend", hatte die Menschenschinderin Madina nach dem Training befohlen. Nur wenig später sitze ich genüsslich kauend am Abendbrottisch.

Dienstag, 1. September 2009

Big mother is watching you

Zumindest auf Moskauer Rolltreppen kann man sich geborgen und behütet fühlen. Schließlich gibt es hier an jeder Metro-Station mehrere Damen der Gattung "Rolltreppen-Aufseherin". So ganz hat sich Sinn und Zweck dieses Berufszweiges noch nicht erschlossen. Einmal wurde eine dieser Damen dabei beobachtet, wie sie flink mit einem Reisigbesen ein liegengebliebenes Zeitungspapier wegwedelte. Aber das war sicherlich nur ein übermütiger Anfall von Aktionismus. Den Rest der Zeit verbringen die Wächterinnen damit, auf die Monitore vor sich zu stieren - das Gesicht zur Faust geballt. Sie tragen alle Uniform, Ausführung scheint egal zu sein. Mal grün im Stil der Volkspolizei, mal grau wie die Pfadfinder. Zur Ausrüstung des Ein-Quadratmeter-Wärterhäuschen gehören außerdem zwei Telefone: Ein schwarzes und ein rotes. Mit letzterem lassen sich wahrscheinlich gegebenenfalls auch Atombomben auf Rolltreppendrängler loslassen ... Die Matkas sehen zumindest so aus, als ob sie kleinen Kindern die Lollis klauen würden. Und wer so etwas macht, der scheut auch vor einem nuklearen Anschlag auf die Metro nicht zurück.

Wenn also eine dieser übergeschnappten Rolltreppen-Extremistinnen eines Tages vor dem Internationalen Strafgerichtshof steht - es würde mich nicht wundern. Der Verteidigung sei folgende Strategie ans Herz gelegt: Plädieren auf Unzurechnungsfähigkeit. Erstens stinkt es in der Metro. (Leute, die meinen sich auszukennen, sagen, das liege daran, dass die Chinesen die Moskauer Bahnen aus billigem Plastik zusammenschrauben - aber das ist nur Hörensagen). Zweitens ist es unbeschreiblich laut. Ein Deutscher, den ich neulich traf, erzählte mir stolz von seinem jüngsten Einkauf. Er hatte sich Kopfhörer schicken lassen, die die Arbeiter auf dem australischen Flughafen-Rollbahnen tragen ("Ein Schnäppchen im Internet!") Die trägt er nun morgens und abends in der Metro, darunter die Ohrstöpsel seines mp3-Players.

Auf solche Ideen können wahrscheinlich nur Zugewanderte kommen. Die Moskauer jedenfalls scheint der Lärm wenig zustören. Sie können dabei sogar telefonieren - in entsprechender Lautstärke.

East Side Gallery

„Jeder russische Mensch fühlt, wenn er auf Moskau blickt, dass es seine Mutter ist“, sagte der Schriftsteller Lew Tolstoi. Er hat nicht verraten, was die Stadt für Besucher aus der Fremde bereit hält. Ich bin gespannt...

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Als meine Besucher am...
Als meine Besucher am 1.1.2012 in Port Said ins Meer...
erik-n - 26. Feb, 12:13
Auch wenn die Frage jetzt...
Auch wenn die Frage jetzt vielleicht etwas spät kommt,...
Menschchen - 21. Jun, 13:26
Крута!
...und ich dachte, ich wär mutig am 28. April in den...
Хайди (Gast) - 12. Mai, 12:33
Danke
Die königlichen Würden werden mir völlig zu Recht verliehen....
Mischkala - 15. Mär, 08:52
Whoa...
... Respekt. Das wollte ich auch immer mal machen,...
KrishA (Gast) - 13. Mär, 18:19
Kalt, Kälter, Eisbaden
Ok, das Foto ist etwas verschwommen, aber als Beweisfoto...
Mischkala - 22. Feb, 16:23
Alles besenrein
Als ich das erste Mal das Wort „Broomball“ hörte,...
Mischkala - 18. Feb, 13:54
Go for Präsidentenberater
Also wenn ich diesen flammenden Appell lese, kommt...
Mischkala - 16. Feb, 16:20

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